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Idealisierung und Abstraktion. Zur Rolle von Modellen in Wissenschaft und Naturdeutung

Hauptseminar 2-stdg. Dienstag, 15–17 Uhr
Raum: Seminarraum 3
Termine: ab 8. April 2014
BA: III/2, WP/5
MAkons: III (GN)
Mag: F4, F9
ZEP: A

Thematik

Es ist auch in der aktuellen philosophischen Diskussion immer noch eine weitverbreitete Auffassung, dass Naturwissenschaften die Wirklichkeit beschreiben, wie sie in sich ist. Allerdings übersieht diese Position, dass die naturwissenschaftliche Perspektive immer unter einer bestimmten Fragestellung und methodischen Bedingtheiten steht, die zu Idealisierungen und Abstraktionen in der Beschreibung führen. Eine wesentliche Rolle kommt dabei den verwendeten wissenschaftlichen Modellen zu, die in letzter Zeit immer stärker in den Fokus der Wissenschaftsphilosophie rücken, da die Anwendung von abstrakten Theorien auf konkrete Phänomene in der wissenschaftlichen Praxis mit Modellen verbunden ist. Wie auch immer das Verhältnis von Modell und Theorie genauer bestimmt wird, einig sind sich die Modelltheoretiker jedenfalls darin, dass das Modell näher an der Wirklichkeit ist als die Theorie, die in diesem Sinne auf der Beschreibungsebene der Natur auf einer abstrakteren Stufe steht. Zahlreiche Fallstudien haben belegt, dass Modelle nicht nur heuristischen Wert haben, sondern dass ihnen eine notwendige erkenntnistheoretische Funktion zukommt. Dies bedeutet aber, dass für naturwissenschaftliche Beschreibung die Struktur des Modells eine wichtige Rolle spielt, denn von ihr hängt ab, was und in welcher Art und Weise etwas von der empirischen Welt erfasst wird. Unter einem Modell versteht man eine Interpretation eines empirischen Phänomens, das den intellektuellen Zugang zu diesem Phänomen z.B. durch Analogisieren, Idealisierung und Vereinfachung erleichtert. Gerade im Kontext der Eruierung von Naturgesetzen hat sich die Modelltheorie als besonders fruchtbar erwiesen, da in ihr die idealisierenden Bedingungen der Experimentalsituation bedacht werden können. Interessant dabei ist, dass wissenschaftliche Modelle im Vergleich mit der ihnen zugeordneten Theorie oft mit Zusatzannehmen arbeiten, und dass in manchen Wissenschaftszweigen auch einander widersprechende Modelle erfolgreich eingesetzt werden. Die modelltheoretische Analyse trägt also dazu bei, die Herangehensweise der empirischen Wissenschaften besser zu verstehen und so auch den Status der naturwissenschaftlichen Vorgehensweise besser einschätzen zu können.

Methode

Im Seminar sollen zentrale Texte der aktuellen Modelltheorie gelesen werden.

Literatur

Bailer-Jones, D. M. (2002): Naturwissenschatliche Modelle: Von Epistemologie zu Ontologie, in: A. Beckermann und C. Nimtz (Hrsg.), Argument und Analyse – Sektionsvorträge, GAP4 e-Proceedings http://www.gap-im-netz.de/gap4Konf/Proceedings4/Proc.htm, Paderborn. – Bailer-Jones, D. (2009): Scientific Models in Philosophy of Science, Pittsburgh. – Cartwright, N. (1983): How the Laws of Physics Lie, Oxford. – Cartwright, N. (1999): The Dappled World: A Study of the Boundaries of Science, Cambridge. – Hüttemann, A. (1997): Idealisierungen und das Ziel der Physik. Eine Untersuchung zum Realismus, Empirismus und Konstruktivismus in der Wissenschaftstheorie, Berlin. – Morgan, M., / Morrison M. (Hrsg.) (1999): Models as Mediators, Cambridge.