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„Zeitumstellung“: Über Zeit, Zeitformen – und den Umgang damit

Hauptseminar 2-stdg. Freitag, 10–18 Uhr
Raum: Seminarraum 2
Termine: 17.4., 29.5. und 26.6.2015, ab 17.4.2015
MA-Ethik: IV
Mag: F10, F11
ZEP: C

Thematik

Jährlich wird hierzulande zweimal die Zeit umgestellt. Genau genommen stimmt das natürlich nicht, denn es ist die Uhr, die eine Stunde vor bzw. zurückgestellt wird. Eine gerne genommene Verwechslung heutzutage, diejenige zwischen Zeit und Uhr. Einzelheiten zur Uhrzeitumstellung regelt das Gesetz über die Einheiten im Messwesen und die Zeitbestimmung (Einheiten- und Zeitgesetz - EinhZeitG). Der Nutzen ist umstritten, die Menschen alljährlich verwirrt, entrhythmisiert. Manche nutzen die – vermeintlich – „gewonnene“ Stunde womöglich auch, um über sich selbst und das eigene Verhältnis zur Zeit nachzudenken. Vielleicht mit einem eher ratlosen Ergebnis, das sich in der Frage verdichtet: Ticke ich noch richtig?

Dass es heute nicht ganz unüblich ist, sich die Frage zu stellen und dann ratlos zu bleiben, kann wohl als Folge gesteigerter Fähigkeit zur Selbstbeobachtung gewertet werden. Denn der unbedarfte Beobachter bekommt ja so einiges zu sehen heutzutage – nicht nur an sich selbst: Nur mehr hastende und rastlose Menschen, die sich immer und überall nicht nur gehetzt sondern auch vernetzt irgendwie durchwursteln. Damit das besser klappt, verfeinern sie ihre Kompetenzen zur Vergleichzeitigung. Sie werden zu immer besseren und besesseneren „Simultanten“. Nein, das ist kein Druckfehler, es sind keine Simulanten sondern Simultanten, Meister des Simultanen, Künstler der Vergleichzeitigung von Unterschiedlichem, so hat sie Karlheinz Geißler sehr zutreffend betitelt (Geißler 2004). Sie stauen sich in ihrem klimatisierten Fahrzeug, das häufig ein Stehzeug ist, von Termin zum nächsten Meeting, nutzen die Zeit mit zahlreichen Vernetzungshelfern zum Telefonieren, Mails abarbeiten oder Simsen, vertwittern sich dabei gelegentlich und tauchen aus den Untiefen von Facebook irgendwo wieder auf. Sie haben immer mehr vor als überhaupt geht und freuen sich, wenn sie es mal wieder geschafft haben, schneller als der Kollege von Nebenan zu sein. Oder mehr gleichzeitig gemacht zu haben als er oder sie. Manchmal tricksen sie die Werkzeuge des Outlook-Terminsynchronisierungs-Wahnsinns gerissen aus, indem sie Termine simulieren (dann sind Simultanten auch Simulanten!), die es dann nicht wirklich gibt. Vielleicht schnaufen sie dann mal durch auf ihrem Stepper im Fitnessstudio oder tun sich irgendwas anderes Gutes. Ticke ich noch richtig?

Seriöse Antworten, was denn „richtig“ ist, kann sich jede und jeder sowieso nur selbst geben. Denn unser Ticken ist nicht verallgemeinerbar, es ist menschlich, und das heißt: wir ticken ganz unterschiedlich, haben ganz spezielle Zeit-Gefühle. Das zeigt beispielsweise der knurrende Magen, der immer noch ein zuverlässigerer Informant darüber ist, wann es Zeit zum Essen ist als die auf der Uhr angezeigte Zeit. Mit an Uhrzeit orientierten verallgemeinerten Hilfestellungen für die Rast- und Ratlosen scheitert häufig das klassische Zeitmanagement – meist übrigens nach ersten Achtungserfolgen. Weil aber jede und jeder anders tickt, sind Zeit-gemäße Lösungen der zahlreichen Dilemmata personenorientiert unterschiedlich und höchstpersönlich. Statt um schnelle Rezepte geht es um eine Reflexion der eigenen Haltung und womöglich um deren Anpassung, damit das Ticken wieder zur eigenen Person passt. Der Titel „Zeitumstellung“ steht metaphorisch für diesen Zugang. Gemeint ist etwas ganz persönliches, das günstigsten falls von Anregungen profitieren kann, wie sie in dieser Veranstaltung angeboten werden.

Im ersten Teil geht es um „Zeit-Geschichten“, denn die Wahrnehmung, das Erleben und das Bewusstsein von dem, was wir verlegenheitshalber „Zeit“ nennen, haben sich verändert. Deshalb wird der zeitliche Bogen von der Urzeit über die Vormoderne und die Moderne hin zur Postmoderne gespannt.

Das, was wir verlegenheitshalber Zeit nennen, besteht aus einer Vielfalt von Zeiten, aus unterschiedlichen Zeitformen, denen der zweite Teil gewidmet ist. Hier geht es um zeitliche Vielfalt, die aus Augenblicken, dem Warten, aus der oft favorisierten und zugleich gescholtenen Schnelligkeit, der Wiederholung, aus Takten und Rhythmen und aus dem, was es dazwischen auch noch gibt, entsteht: aus Anfängen und Abschlüssen.

Im dritten Teil gibt es Angebote zur „Zeitumstellung“. Wie gehe ich mit Zeit um? Dazu gibt es ein Modell – und sehr persönliche Anregungen für allfällige Zeitprobleme. Denn wenn Zeitumstellungen angemessen sein sollen, dann müssen sie zuallererst zur Person passen.

Bitte die Vorbereitungsaufgabe beachten (sh. Voraussetzungen)!

Ziele

Ziel dieser Lehrveranstaltung ist es, den Studierenden Zusammenhänge und Spannungsfelder des Themas zugänglich zu machen.

Methode

Methoden

Methodisch wird ein Wechsel von Impulsen, Referaten und praktischer Arbeit, u.a. in der Arbeitsform der Zeitberatung angeboten.

Zeiten/geplante thematische Gliederung

Die Lehrveranstaltung wird als Blockveranstaltung an drei Tagesterminen angeboten.
Geplante thematische Gliederung

1. Veranstaltung am 29.05.2015 (10.00 – 18.00 Uhr)
Was ist Zeit?
Zeit-Geschichten: Urzeit – Vormoderne – Moderne – Postmoderne
Zeit-Modell mit 5 Zeitdimensionen

2. Veranstaltung am 26.06.2015 (10.00 – 18.00 Uhr):
Zeitformen (Impulse und Referate)

3. Veranstaltung am 03.07.2015 (10.00 – 18.00 Uhr):
Vom erfolgreichen Umgang mit der Zeit (Impulse und Referate)
Zeitberatung: Fallarbeit an zeitbezogenen Anliegen

Voraussetzungen

Lesen und Bearbeiten des Vorbereitungs- und Einführungstextes.

  • Bereitschaft zu aktiver, kontinuierlicher Teilnahme.
  • Vorbereitungsaufgabe für die Veranstaltung
  • Bitte als Vorbereitungs- und Einführungstext lesen:
    Aus dem Manuskript "Zeitumstellung" (angehängtes PDF), S. 1-45

Qualifikation

Für den Erwerb eines qualifizierten Scheins ist die regelmäßige Teilnahme an der Veranstaltung (höchstens ein Termin versäumt) sowie die aktive Mitarbeit eine Voraussetzung. Neben der Gestaltung einer Sequenz im Seminar ist als schriftliche Leistung für einen Hauptseminarschein eine Reflexion aus dem thematischen Kontext der Veranstaltung zu verfassen. Die Anforderungen und Thesen werden beim ersten Termin vereinbart.

Ein Sitzschein (Teilnahmeschein) kann auf Anfrage nur nach regelmäßiger Teilnahme am Seminar (d.h. höchstens ein Termin versäumt) ausgestellt werden.

Literatur

In der Veranstaltung wird Bezug genommen auf:

Orthey, Frank Michael: Systemisch Führen. Grundlagen, Methoden, Werkzeuge. Schäffer-Poeschel, Stuttgart 2013 (Kapitel 4.5.)

Orthey, Frank Michael: Zeitumstellung. Alles für den erfolgreichen Umgang mit der Zeit. Erscheint 2015

Vertiefend gilt die dort verwendete Literatur (abgedruckt am Ende des Einführungstextes).