Werkstattgespräche "Frauen in der Philosophie": 2013-2018

Organisation: Dr. Christine Bratu (LMU), Dr. Mara-Daria Cojocaru (HfPh)

In München studieren sowohl an der Hochschule für Philosophie als auch an der Ludwig-Maximilians-Universität zahlreiche Frauen Philosophie. Die Geschlechterverhältnisse sind zu Beginn des Studiums weitgehend ausgewogen; sichtbar wird aber im Verlauf des Studiums, dass der Frauenanteil über die Qualifikationsstufen hinweg signifikant abnimmt. In festen Anstellungen nach der Promotion sind nur noch wenige Philosophinnen zu finden; auf der Ebene der Professuren suchte man bis zur Berufung von Monika Betzler vergeblich nach einer Frau an den beiden philosophischen Fakultäten.

Diese Situation ist zum einen typisch, da Frauen in der akademischen Philosophie überall in Deutschland nur sehr schwach vertreten sind. Vor allem aber ist sie beklagenswert. Denn Frauen sind nicht deswegen in der akademischen Philosophie unterrepräsentiert, weil es ihnen an philosophischem Talent mangelte. Vielmehr kommen hier Strukturen zum Tragen, die nicht in erster (und wohl auch nicht in zweiter) Linie etwas mit akademischer Kompetenz zu tun haben. Damit stellt die gegenwärtige Situation sowohl eine Verschwendung von intellektuellen Ressourcen dar, da das Potential von weiblichen Wissenschaftlerinnen nicht dauerhaft genutzt wird, als auch ein Gerechtigkeitsproblem, da sich nicht die fachliche Befähigung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sondern andere und damit inhaltlich nicht relevante Faktoren niederschlagen. Vor allem aber hat die gegenwärtige Situation das Potenzial dazu, diese Probleme zu perpetuieren: Denn solange nicht ausreichend weibliche Vorbilder existieren, an denen sich Studentinnen der Philosophie orientieren können, werden weiterhin nur wenige Damen eine Karriere in der akademischen Philosophie in Angriff nehmen. Solange man fast ausschließlich Herren sieht, wenn man die Inhaber wichtiger Philosophie-Lehrstühle in Deutschland vor seinem inneren Auge Revue passieren lässt, werden nur wenige Damen auf die Idee kommen, dass dies kein natürliches, unabänderliches Faktum ist.

Um hier gegenzulenken, hatten wir uns im Sommer 2013 dazu entschlossen, regelmäßig Damen zu uns nach München einzuladen, denen es gelungen ist, eine Professur, eine Juniorprofessur oder ein begehrtes Stipendium zu erlangen. Im Wintersemester 2018/19 haben wir die Reihe nach fünf spannenden Jahren eingestellt. Im Folgenden finden Sie einen Überblick über die vergangenen Veranstaltungen.

WiSe 2018/19

Prof. Dr. Corinna Mieth (Bochum): Spielarten des Moralismus, Freitag, 7. Dezember 2018, 18.30, Hochschule für Philosophie, Aula.

SoSe 2018

Dr. Silvia Jonas (München): Pluralist mathematics: How foundational debates in mathematics might change the way philosophers understand realism, Dienstag, 8. Mai 2018, 18.30 (s.t.), MKE, Hauptgebäude der LMU, 2. Stock, Raum M 210. 

WiSe 2017/18

Prof. Dr. Friederike Kuster (Wuppertal): Verachtet, idealisiert, entsorgt: sozialphilosophische Überlegungen zur aktuellen Krise von care, Donnerstag, 11. Januar 2018, 18.30 (s.t.), Hochschule für Philosophie, Aula.

Kuster, Alumna der Hochschule, arbeitet u.a. in der philosophischen Geschlechterforschung, zur Bildungstheorie und zum Verhältnis von Familie und Staat. 

 

SoSe 2017

Prof. Dr. Cheryl Misak (Toronto/Berlin): Ramsey, Wittgenstein, and Pragmatism, Mittwoch, 17. Mai 2017, 18.30 (s.t.), Hochschule für Philosophie, Aula.

Im Sommersemester 2017 internationalisieren wir unser Programm zur Abwechslung wieder und laden mit Cheryl Misak eine Philosophin ein, die nicht nur zum Wahrheitsbegriff, zur politischen Philosophie und zur Moralphilosophie und zur Geschichte des Pragmatismus und der analytischen Philosophie wichtige Beiträge geliefert hat; einer ihrer Artikel wurde sogar schon in die Runde der zehn besten Artikel aus einem Jahr gewählt (hier 2008).

Dr. Anna Welpinghus (Dortmund): Is jealousy about infidelity? On the appropriateness conditions of jealousy, Donnerstag, 6. Juli 2017, 18.30 (s.t.), MKE, Hauptgebäude der LMU, 2. Stock, Raum M 210.

Und weil es in den vergangenen Semester so still gewesen ist, laden wir uns in diesem Sommer gleich noch eine zweite Philosophin zu uns nach München ein. Sie kennt man als Nachwuchswissenschaftlerin nicht nur für ihre Arbeiten in der Philosophie des Geistes, besonders zu Fragen betreffend die Natur von Emotionen und ihre soziale Angemessenheit, sondern auch als stellvertretende Vorstandsvorsitzende von SWIP Germany

 

WiSe 2016/17

Prof. Dr. Corinna Mieth (Bochum): Überlegungen zur Konsumentenethik, 12. Januar 2017, 18 Uhr, MKE, Hauptgebäude der LMU, 2. Stock, Raum M 210. **Dieses Werkstattgespräch musste leider kurzfristig abgesagt werden; wir behmühen uns um einen Ersatztermin.**

Bin ich ein guter Mensch, wenn ich fair-trade-Kaffee kaufe? Ist Konsum selbst ein Problem? Und was sind die Chancen und Probleme wenn wir gesellschaftspolitische und ethische Verantwortung an der Kasse übernehmen wollen oder sollen? Über diese und ähnliche Themen werden wir mit Corinna Mieth kurz vor’m Winterschlussverkauf sprechen - kommt zahlreich! (Das Schöne ist ja, dass Philosophie ein nicht-exklusives Gut ist.)

 

SoSe 2016

Da waren wir jetzt ausnahmsweise beide mal nicht in München und es fand kein Werkstattgespräch statt. 

 

WiSe 2015/16

Geduld und Aufmerksamkeit für das Thema „Frauen in der Philosophie“ sind begrenzt. Um uns nicht selbst kritische Masse bei den Veranstaltungen zu nehmen, gab es im Wintersemester statt des klassischen Werkstattgesprächs Folgendes:

3. SWIP Germany Workshop: Kritische Masse schaffen, mit Monika Betzler, Catherine Herfeld, Elizabeth Rosas und Sally Haslanger. Ein Bericht dazu findet sich hier.

 

SoSe 2015

Zum Sommer 2015 hatten wir uns entschieden, den Schwerpunkt weg von der Politisierung hin zur Vorstellung der Forschungsinhalte von Frauen in der Philosophie zu legen, und, weil diese viel zu wenig wahrgenommen wird, haben wir auch gleich zwei profilierte Philosophinnen zu uns gebeten - einmal an die HfPh und einmal an die LMU:

Prof. Dr. Rahel Jaeggi (Berlin): Moralischer Fortschritt, sozialer Wandel und historischer Materialismus, 27. April 2015, 19.30 Uhr, HfPh, Aula.

Rahel Jaeggi hat, nachdem sie schon einen ganzen Nachmittag mit uns an der Hochschule über Solidarität nachgedacht hatte, am Abend einen Vortrag gehalten. Bei der Gelegenheit durften wir nicht nur einer zeitgenössischen Vertreterin und Weiterdenkerin der kritischen Theorie zugucken, wie sie ein neues Forschungsfeld erschließt, sondern mussten auch aus nächster Nähe erfahren, wie extrem unangenehm eine Philosophin in der Öffentlichkeit angegangen werden kann - und was souverän kontern heißt.

Dr. Anca Gheaus (München und Sheffield): Biological parenthood: gestational, not genetic, 17. Juni 2015, 18 Uhr, LMU, MKE, Hauptgebäude der LMU, 2. Stock, Raum M 210.

Mit Anca Gheaus hatten wir die Gelegenheit, sowohl über ihre Forschung zu sprechen, als auch noch einmal die Perspektive einer Philosophin mit internationalem Bildungshintergrund vermittelt zu bekommen und zu überlegen, was wir in Deutschland machen müssten, um den akademischen Arbeitsmarkt für diese Philosophinnen attraktiver zu machen.

 

WiSe 2014/15

Im Winter 2014 wurde uns in besonderer Weise klar, wie schwierig es ist, Termine zu koordinieren, wenn „Frauen in der Philosophie“ vornehmlich ein Frauenthema ist und damit die wenigen Frauen in der Philosophie kaum mehr aus dem Terminhaufen schauen können. Kurzum: Da ist es ausgefallen.

 

SoSe 2014

Jun-Prof. Dr. Mari Mikkola (Berlin): 10. Juli 2014, 18 Uhr, LMU, MKE, Hauptgebäude der LMU, 2. Stock, Raum M 210.

Mari Mikkola kam zu uns mit den damals aktuellen Zahlen und Ergebnissen einer Studie zur Situation der Frauen an der Uni in Berlin. Als jemand, der seine gesamte philosophische Karriere bis zum Antritt einer der nicht unumstrittenen Juniorprofessuren (an der HU Berlin) im Ausland verbracht hatte, konnte sie bestimmte allgemeine, strukturelle Hürden im deutschen akademischen Betrieb besonders klar erfassen, und die Daten zur Lage der Frauen boten dann viel zusätzlichen Gesprächsstoff in konstruktiver Atmosphäre. NB: Seit Oktober 2016 ist die Juniorprofessur nun eine Professur!

 

WiSe 2013/14

Prof. Dr. Andrea Esser (Marburg): 22. Januar 2014, 18 Uhr, HfPh, Aula.

Bei der zweiten Veranstaltungen haben wir uns mit Andrea Esser dann gleich die Geschäftsführung der DGPhil für einen (extra nicht nur für Frauen) öffentlichen FrauenVortrag eingeladen, indem es nicht nur um den individuellen Erfahrungsaustausch ging, sondern auch darum, diejenigen Probleme der Fachkultur klar zu benennen, die Frauen und so manchen Mann gleichermaßen benachteiligen. Diese betrafen insbesondere Argumentationsstile, die ihr Gelingen am Sieg oder anderen martialischen Begriffen bemessen, und auch Isolation und Sackgassen in der Karriereplanung. Im Nachgang haben wir übrigens etwas über unsere Werkstattgespräche für den Newsletter der DGPhil verfassen dürfen.

 

SoSe 2013

Jun-Prof. Dr. Maria Kronfeldner (Bielefeld) im Gespräch mit Dr. Christine Bratu und Dr. Mara-Daria Cojocaru, 25. Juli 2013, 16 Uhr, HfPh, Hörsaal, EG.

Das war unsere Kick-off-Veranstaltung mit Maria Kronfeldner, die uns einen ganzen Nachmittag lang geduldig und humorvoll von ihrem persönlichen Karriereweg, den damit verbundenen positiven und negativen Erfahrungen erzählt hat - shop-talk im besten Sinne, bei dem wir viel gelernt haben. Damals gab es noch ein Post-Doc-Netzwerk für Frauen in der Philosophie in München; das hat dann noch bis in die Nacht getagt.