8th International Conference on Philosophy, Psychiatry and Psychology

8th International Conference on Philosophy, Psychiatry and Psychology. 16.10.2005 - 18.10.2005 in New Haven, CT, USA ; Tagungsbericht von Christian Huber

Seit einigen Jahren bietet das internationale Netzwerk für Philosophie und Psychiatrie (International Network for Philosophy and Psychiatry, INPP) auf seinen Jahrestagungen ein Forum, um mit Wissenschaftlern im interdisziplinären Feld von Philosophie, Psychiatrie und Psychologie zusammentreffen und die eigenen Forschungsergebnisse präsentieren zu können. In Kooperation mit der Vereinigung für den Fortschritt von Philosophie und Psychiatrie (Association for the Advancement of Philosophy and Psychiatry, AAPP) wurde die achte Jahrestagung, die „8th International Conference on Philosophy, Psychiatry and Psychology“, in diesem Jahr vom 16.10.2005 bis zum 18.10.2005 an der Yale-Universität, New Haven, CT, USA, abgehalten. Sie wurde von der psychiatrischen Klinik der Universität Yale (Leitung: Prof. Dr. L. Davidson) ausgerichtet und stand mit dem Motto „New Philosophies for Community Psychiatry“ im Zeichen der sozialpsychiatrischen Recovery-Bewegung. Der folgende Kongressbericht soll einen groben Überblick über die behandelten Themen geben.

Nach der offiziellen Eröffnung der Konferenz durch Prof. Davidson am 16.10.2005 bot die „Welcome Reception” einen Ort zum ersten informellen Kennenlernen der Referenten und Teilnehmer.

Die Plenarsitzungen am nächsten Tag wurden eindrucksvoll von J. Frese III. (Northeastern Ohio Universities Medical College of Medicine) mit dem Vortrag „On crushing schizophobia“ eingeleitet. Der Redner, bei dem seit Jahren eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert ist, bot einen medizingeschichtlichen Überblick über den Umgang mit an Schizophrenie Erkrankten und gleichzeitig ein von eigenen Erfahrungen in der Patientenrolle getragenes Plädoyer zur Integration der Patienten und zum Abbau der Angst vor Schizophrenie. Ebenfalls im Fokus von „Recovery“ standen die folgenden Vorträge von M. Schwarz (University of Hawaii, Recovery als Vision des psychiatrischen Systems), C. Heginbotham (Mental Health Act Commission of England and Wales, Klientenzentralität in der Psychiatrie als Erfahrung psychiatrischen Daseins) und J. Strauss (Yale University, Unterschiedliche Ansätze, einen Patienten zu verstehen: Patient/Erkrankter/Klient).

Anschließend wurden Parallel-Symposien zu den Themenschwerpunkten „Geisteskrankheit und Gesellschaft“, „Behandlungsbeziehungen“, „Subjektive Psychose-Erfahrung“, „Recovery“ und „Kreativität“ abgehalten. Die vom Autor besuchte Session „Geisteskrankheit und Gesellschaft“ begann mit einem Überblick über die Rolle und die Möglichkeiten des psychiatrisch erkrankten Patienten in der Gesellschaft auf dem Hintergrund von Dostojewskis „Der Idiot“ (E. Bezzubova, University of California). Es schloss sich eine Reflexion über die Bedeutung von Diagnosen des DSM (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) an, in der auf die häufige und aufgrund der Alltagssprache nahe liegende Interpretation eingegangen wurde, das Klassifikationssystem würde nicht Krankheiten, sondern Personen kategorisieren (E. Flanagan, Yale University). Anschließend referierte der Autor zum Thema „Was hat es mit der Früherkennung und der Prävention von Psychosen auf sich?“ auf Basis der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion über die Möglichkeiten, Durchführbarkeit, Sinnhaftigkeit und moralische Rechtfertigung von Strategien zur Psychose-Prävention (C. G. Huber, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf).

Die folgenden Plenarvorträge versuchten, aus unterschiedlichen Gesichtspunkten die gesundheitspolitischen Hintergründe von „Recovery“ in England (P. Alliot, NIMHE East Midlands, England, UK), die Implikationen für das Arzt-Patient-Verhältnis (D. Spitz, University of Chicago) und die aktuellen Projekte und Vorhaben in Conneticut, USA (L. Davidson, Yale University) zu beleuchten.

Am 18.10.2005 schlossen sich Vorträge zur Problematik von blindem Vertrauen in „evidence-based medicine“ (D. Healey, Cardiff University) und zum epistemologischen Hintergrund randomisierter kontrollierter Studien (D. Bolton, Kings College London) an. E. Matthews (University of Aberdeen) referierte über die ethischen Implikationen verschiedener Krankheitsmodelle und ihre Bedeutung für die moralische Verantwortung und die rechtliche Haftbarkeit von Patienten. J. Radden (University of Massachusetts at Boston) schloss die Plenarvorträge mit einer Analyse subjektiver Erfahrungsberichte von Patienten über ihre „Recovery“ ab.

Die Parallel-Symposien des letzten Kongresstages wurden zu den Themenschwerpunkten „Vorgehensweisen in der Gemeindepsychiatrie“, „Recovery als sozialer Prozess“, „Neue philosophische Perspektiven für die Psychiatrie“ und „Neue Behandlungsphilosophien“ abgehalten. In der Session „Neue philosophische Perspektiven für die Psychiatrie“ sprach A. Ralston (GGZ Dijk & Duin, Niederlande) über die Vor- und Nachteile der Anwendung der „actor network theory“ als epistemologische Grundlage in der Psychiatrie. Anschließend diskutierte der Autor die Theorieabhängigkeit der mit Hilfe moderner bildgebender Methoden beantwortbaren Fragestellungen und die Auswirkungen bildgebender Forschung auf Krankheits- und Behandlungsmodell der Schizophrenie (C. G. Huber, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf). J. Schlimme (Universitätsklinikum Hannover) be­han­del­te unter dem Titel „Wahn und Realität im psychiatrischen Diskurs“ die Unmöglichkeit des vollständigen Verstehens von wahnhaftem Denken durch den Behandler.

Während des Kongresses sorgten die Veranstalter durchweg für einen angenehmen, familiären Rahmen, der ganz selbstverständlich die Partizipation von Patienten am Kongress mit einschloss, ob nun in Form eines Vortrages, einer Kunstausstellung oder eines Theaterstückes (Second Step Players).

Prof. Dr. L. Davidson und insbesondere Dr. E. Flanagan sei für die Organisation des äußerst informativen und fruchtbaren Kongresses gedankt. Prof. D. F. Braus, Dr. M. Lambert und Prof. C. Kummer danke ich für die Unterstützung meiner Forschungsinteressen in den Bereichen Psychiatrie und Philosophie. Nicht zuletzt möchte ich mich herzlich bei pro philosophia e. V. für die großzügige finanzielle Förderung bedanken, die meine Teilnahme an diesem Kongress erst ermöglicht hat.

 

Christian G. Huber <cgh(at)alumni.tum.de> 10/2005