201 | Prof. Dr. em. Norbert Brieskorn SJ

Michel Foucault (1926-1984). Staatsphilosophie in den Einzelaspekten von Aufbau und Zerstörung

Vorlesung 1-stdg.
Raum: Seminarraum 2
Termine: Montag 14-15 Uhr, ab 16.10.17

Thematik


I. Michel Foucault (* 1926 Poitiers - + 1984 Paris) war von 1960 an Prof. der Philosophie in Clermont-Ferrand, ab 1970 bis Lebensende in Paris am Collège de France; dort hatte Foucault den Lehrstuhl für "Geschichte der Denksysteme" inne.


II. Er darf charakterisiert werden als ein Be-Denker der immer in Streit mit sich liegenden Welt, in welcher sich unablässig politische Systeme bildeten, ausformten, sich sie unterstützende kulturell-soziale Untersysteme schufen und sich im 20. Jh. in einem zermürbenden Spiel fast auflösten.

Ich betone dazu, dass Foucault “Staatsphilosophie” nicht im herkömmlichen Stil betrieb, also das Wesen des Staates, seine Gewalten, Ausformungen und sein Verhältnis zu anderen Staaten zu bedenken. Vielmehr untersucht er intensiv das Innen des Staates, also jene Person und Institution, die den Staat lenken; ebenso das Unten des Staates, den “Untergebenen”; auch widmet er sich sorgfältigst dem Außen des Staates, also den Kräften, welche sich von außen her des Staats bedienen, so dem Nationalsozialismus sowie der Kommunistischen Partei.

Methode

III. Die Vorlesung wird die von Foucault behandelten Themen gemäß des Ablaufs der Philosophiegeschichte behandeln:

1. Block:

Foucaults Werk “Sexualität und Wahrheit” (3 Bde.: 1984 - 1986), durchdenkt, wie - während der Antike - die politische Macht mit den persönlichsten, leiblichen Interessen nur eines Menschen, des Königs, verbunden war; jedoch nicht ohne Gewinn für die Vielen, denn “die Mäßigung des Fürsten begründet eine Art Pakt zwischen ihm und dem Regierten” (2. Band, 221). Politik ist, so Foucault, Wirkung und Rückwirkung, also Verwandlung.

2. Block:

Ab dem Hochmittelalter formten sich, so Foucault, das freie Ich, der Individualismus sowie - als staatliche Gegenantwort - der Totalitarismus, die “Totalität”, heraus; sie stärkte sich durch “politische Technologie” mit “medicinischer Polizey”. Der Mensch beginnt, sich von ihr her zu “be-leben”. Wirkung bewirkt Rückwirkung.

3. Block:

Dieses Denken wird zur “Planerfüllung”: Es veranlasste den Schutz nicht bloß des Einzelnen, sondern der gesamten Bevölkerung, und bemächtigte sich auch des aus anderen Quellen entstandenen “Rassismus”: Dessen Politik zielt auf die “Macht über das Leben”, wobei der einzelne Mensch entweder zählt, weil er der privilegierten Rasse angehört, oder verworfen wird, weil er ein Teil der verworfenen Rasse ist. Doch er Rassismus versucht, seinen Plan zu erfüllen: “Die Zerstörung der anderen Rassen ist eine Seite des Plans, die andere geht dahin, die eigene Rasse der absoluten und universellen Todesgefahr auszuliefern” (Kritik des Regierens, 84). Vernichtungspolitik beschädigt nicht nur, sondern veranlasst höchste Reife.

Literatur


Ein detailliertes Literaturverzeichnis wird während der Vorlesung verteilt.

Der Vorlesung liegen hauptsächlich zugrunde:

● Michel Foucault: Kritik des Regierens. Schriften zur Politik. Ausgewählt und mit einem Nachwort von Ulrich Bröckling. suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1933, Frankfurt/M 2010.

● Michel Foucault: Sexualität und Wahrheit in 4 Bdn; übers. von Ulrich Raulff u. Walter Seitter. Bde 1 bis 3: Suhrkamp Frankfurt 1984-1986.

● Michel Foucault: Geschichte der Gouvernementalität I: Sicherheit, Territorium, Bevölkerung, Vorlesungen 1977-1978,

und:

● Geschichte der Gouvernementalität II: Die Geburt der Biopolitik 1978-979, beide: suhrkamp taschenbuch wissenschaft Frankfurt 2004.