14 | Prof. Dr. Patrick Zoll SJ

Postfaktische Politik – Philosophische Analysen und Lösungsvorschläge

Proseminar 2-stdg. Dienstag, 16–18 Uhr
Raum: Seminarraum 1
Termine: ab 25.04.2017

BA: III/1

Thematik

Als „postfaktisch“ wird eine Politik charakterisiert, die sich nicht mehr der Wahrheit, den Fakten und dem Wettkampf der besseren Argumente in der politischen Auseinandersetzung verpflichtet fühlt, sondern bewusst Lügen und fake news eingesetzt, um durch deren emotionale Effektivität Wahlen zu gewinnen. Insbesondere die Kampagne für den Brexit und die Wahlkampfstrategie von Präsident Trump werden als Beispiele für eine derartige Politik angeführt. Während unstrittig ist, dass der Begriff auf Phänomene hinweist, die die Demokratie gefährden, wird kontrovers diskutiert, ob der Begriff wirklich geeignet ist, um deren Ursachen zu identifizieren und zu analysieren: Ist das Lügen von Politikern und der Gebrauch einer emotionalisierenden Rhetorik wirklich so neu? Und wird der Begriff nicht selbst zu einem emotionalisierenden und demokratische Ideale unterminierenden Kampfbegriff, wenn man mit seiner Verwendung einem bedeutenden Teil der Wählerschaft pauschal unterstellt, sie sei irrational, weil sie für den Brexit oder für Trump gestimmt hat? In diesem Proseminar werden wir uns deshalb mit zeitgenössischen Ansätzen aus der Moralpsychologie (Jonathan Haidt; Elisabeth Wehling), der Demokratietheorie (Jan-Werner Müller; Christopher Achen/Larry Bartels) und Forschungen zum Thema „Populismus“, „Propaganda“ und „Ideologie“ (Jason Stanley) auseinandersetzen, die Analysen und Erklärungen für die mit dem Begriff „postfaktische Politik“ beschriebenen Krisenphänomene der Demokratie anbieten und Vorschläge unterbreiten, wie Demokratien effektiv auf Lügen, Propaganda, Ideologie oder Populismus reagieren können und sollten.

Ziele

Das Proseminar verfolgt zwei Ziele: Erstens sollen die TeilnehmerInnen befähigt werden, die Erklärungs- und Lösungsansätze verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen für aktuelle demokratische Herausforderungen zu verstehen und ihre philosophischen Hintergrundannahmen kritisch hinterfragen zu können. Zweitens soll die Fähigkeit erworben werden, das erworbene Wissen zur Analyse und Kritik zeitgenössischer politischer Äußerungen anzuwenden.

Methode

Die Auswahl und die Abfolge der Texte ist so konzipiert, dass die persönliche Lektüre und die gemeinsame Diskussion der Texte in den einzelnen Sitzungen die TeilnehmerInnen dazu befähigen, die Lernziele zu erreichen. Methodisch werden die Sitzungen so aufgebaut sein, dass es zunächst ein kurzes einführendes Referat durch einen Teilnehmer oder eine Teilnehmerin gibt und die Gruppe sich dann (je nach Größe) im Plenum oder in Kleingruppen der Rekonstruktion und Diskussion der Thesen und Argumente widmet und einübt, wie mit Hilfe des erworbenen Wissens die aktuelle Politik analysiert und kritisiert werden kann. Mittels einer Proseminararbeit kann abschließend der eigene Lernfortschritt überprüft werden.

Voraussetzungen

Ein Großteil der Pflichtlektüre wird englischsprachig sein.

Qualifikation

Ein Proseminarschein kann erworben werden, wenn zwei Leistungen erbracht worden sind: 1) Kurzreferat mit Anfertigung eines Handouts (max. 2 Din A4 Seiten) 2) Anfertigung einer Proseminararbeit (16.800 – 24.000 Zeichen; inkl. Leerzeichen)

Literatur

Achen, Christopher H., Bartels, Larry M. Democracy for Realists: Why Elections Do Not Produce Responsive Government, Princeton, New Jersey: Princeton University Press, 2016. Haidt, Jonathan. The Righteous Mind: Why Good People are Divided by Politics and Religion, New York: Pantheon Books, 2012. MacIntyre, Alasdair. Ethics in the Conflicts of Modernity: An Essay on Desire, Practical Reasoning, and Narrative, New York: Cambridge University Press, 2016. Müller, Jan-Werner. Was ist Populismus? – Ein Essay, Berlin: Suhrkamp, 2016. Shafer-Landau, Russ. Moral Realism: A Defense, Oxford: Oxford University Press, 2003. Stanley, Jason. How Propaganda Works, Princeton, New Jersey: Princeton University Press, 2015. Wehling, Elisabeth. Politisches Framing: Wie eine Nation sich ihr Denken einredet - und daraus Politik macht, Köln: Halem, 2016. Weitere Literatur findet sich im Semesterapparat oder es wird auf sie im Seminarverlauf hingewiesen!