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Vernunft und Religion aus der Sicht islamischer Denker

Vorlesung 2-stdg. Dienstag, 19–21 Uhr und Mittwoch, 17(s.t.)–19 Uhr
Raum: Seminarraum 2
Termine: 13.4., 26./27.4., 10./11.5., 24./25.5., 7./8.6. und 21./22.6.2016
BA: WP/3, WP/4
MAkons: III (RV)
MA-IB: III (VV), IV

– pro philosophia extra: für die Mitglieder von pro philosophia e.V. frei! –

Thematik

Muslimische Theologen und Rechtsgelehrte haben bereits seit dem 9. Jahrhundert unserer Zeitrechnung gründlich über das das Verhältnis zwischen Vernunft und (islamischer) Religion nachgedacht. Dabei beschäftigten sie konkrete Fragen wie die folgenden: Wie soll in der Exegese mit Aussagen des Koran umgegangen werden, deren Sinn nicht unmittelbar ersichtlich ist, die anderen koranischen Aussagen widersprechen oder die Gott so anthropomorph darstellen, dass es dem gesunden Menschenverstand unmöglich scheint, sie wörtlich zu nehmen? Wie weit kann und darf man dogmatische und rechtliche Zweifelsfragen mittels der Vernunft entscheiden, welche methodischen Prinzipien sind dabei gegebenenfalls zu beachten? Welche Autorität kommt für ihre Entscheidung der Überlieferung der Aussprüche des Propheten (Hadith) im Verhältnis zur Vernunft zu? Sind die Existenz Gottes, die Tatsache, dass es nur einen Gott gibt, möglicherweise auch zentrale Eigenschaften Gottes wie z. B. dessen Gerechtigkeit, und darüber hinaus die elementaren Prinzipien der Ethik auch mit der bloßen Vernunft erkennbar, oder braucht der Mensch unbedingt die Offenbarung, um zu ihrer Erkenntnis vorstoßen zu können? Klassische islamische Philosophen, die Platon, die Neuplatoniker und vor allem Aristoteles rezipiert hatten, sahen sich veranlasst, das Eigenrecht der Philosophie als Wissenschaft gegenüber der Religionsgelehrsamkeit zu begründen, auch dort, wo sich ihre aus der griechischen Tradition übernommenen Positionen offensichtlich nicht mit dem Wortsinn koranischer Aussagen vertrugen; das erforderte eine nähere Klärung des Verhältnisses zwischen Vernunft und Offenbarung. Außerdem stellten sie zum Teil die Notwendigkeit der koranischen Offenbarung für Menschen mit besonders hoher natürlicher philosophischer Begabung und philosophisch geschultem Intellekt in Frage.

Seit die islamische Welt im Kolonialzeitalter mit der europäischen Aufklärung in Kontakt gekommen ist, setzen sich muslimische Denker zum einen mit der Frage nach der Autonomie wissenschaftlicher Vernunft gegenüber Glaubensnormen auseinander, die nach herkömmlicher islamischer Überzeugung durch die koranische Offenbarung vorgegeben sind. Zum anderen sind seither viele von ihnen bestrebt, auf die eine oder andere Weise zu demonstrieren, dass und inwiefern die islamische Religion als solche durch und durch vernünftig und damit a priori wissenschaftsfreundlich ist.

Ziele

Die Vorlesung soll einen Überblick über die wichtigsten Positionen und Argumente sowie über die mit ihnen verbundenen epistemologischen und hermeneutischen Vorstellungen vermitteln, die muslimische Denker von den Anfängen bis zur Gegenwart in der Diskussion von Fragenkomplexen wie den genannten entwickelt haben. Dabei soll die von der europäischen Aufklärung mitbestimmte islamische Moderne gebührenden Raum erhalten.

Methode

Die Darstellungsweise der Dozentin verbindet eine chronologische Grobgliederung mit systematischen Gesichtspunkten.

Voraussetzungen

Bereits eine allgemeine Einführungsvorlesung zum Islam und/oder der islamischen Philosophie gehört zu haben, ist von Vorteil, aber nicht Teilnahmebedingung.

Qualifikation

Mündliche Prüfung

Zielgruppe

Alle Interessierten

Literatur

Bibliographien werden im Fortgang der Vorlesung laufend ausgegeben.